Das Mädchen im limonengrünen Anorak

Ich war auf dem Weg heimwärts. An mir vorbei brausten Räder über nassen Straßenasphalt. Die Tage hatte es sich eingeregnet.
Vorbei an schlammbespritzten Autos rast ein Mädchen auf ihrem Roller durch kaum zu verfehlende Pfützen. Sie lässt keine aus. Der sich hinter ihr abzeichnende Berg, an dessen Hängen Häuser thronen, liegt noch völlig im wolkenverhangenen Dunkeln, während an seiner Spitze die Wolkenfronten langsam aufreißen. Regenwasser und Schlamm spritzt zu allen Seiten der kleinen Räder mit pinken Speichen. Nach links und nach rechts, an parkende und vorbeifahrende Autos. Sie beschaut ihr schmutziges Werk mit unverhohlener Freude. Umso freudiger je mehr Tiefe und Schlamm die Pfützen offenbaren. Einige beachtlich lange Salven klatschen an ihre fliegenden Leinenhosen und ihren limonengrünen Anorak. Unerwartet fliegt die Fahrertür einer der parkenden Karren auf und stößt das Mädchen krachend von ihrem Roller. Die Augen vor Schrecken geweitet, schürft das Mädchen der Länge nach den nassen Asphalt entlang. Der Fahrer hinter dem Steuer starrt auf seinen Rückspiegel. Zieht die Tür zu sich heran und stößt sie dann erneut gegen die bereits am Boden Liegende. Stur starrt er weiter in seinen Rückspiegel. Die Zähne aufeinander gepresst, zuckt ungehemmte Wut über sein verzerrtes Gesicht. Noch einmal stößt er ihr die Wagentür in die Seite, bevor er sie krachend wieder zuschlägt. Er wendet seinen Blick vom Spiegel ab und würdigt sein Opfer eines ersten direkten Blicks. Die Wut verfliegt und über sein Gesicht legt sich Müdigkeit, Trauer. Mit dem Kopf schon an einem fernen Ort, dreht er routiniert den Zündschlüssel und setzt in präzisen Bogen, knapp an dem am Boden kauernden grünen Anorak vorbei, aus der Parklücke heraus.
Die Augen schreckgeweitet, ihre Lieder zuckend ist das Gesicht des Mädchens gebettet auf Asphalt. Sie wirkt gezeichnet, die Haare grau und die Wangen eingefallen. Eine zerbrochene Brille neben ihr. Der Andere ist weg, ehe ich zu ihr gelange, ihr aufzuhelfen. Ihr Gesicht ist tröge und zerfurcht, ob der angetanen Gewalt. Verwundert bemerke ich ihr Alter. Nun beschreibt ihr Gesicht ein dankbares Lächeln.
Nicht die Zeit, Gewalt raubte ihr die vorherrschende Jugend. Dieser Moment des aufschäumenden Hasses und der unverblümten Gewalt, die sie sonst nur durch den Schleier einer wohlgehüteten Distanz wahrnahm, raubte ihr den frohen Augenblick, solle er auch nicht lange weilen, wieder Kind zu sein. Ihr Lächeln erstarb und ihr Gesicht blieb starr, den ganzen Weg den ich ihr nachsah.

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