GEDICHTE

Mittwoch, 7. März 2012

Die verhurte Zeit

Ach, die Zeit ist eine muntre Hure,
die mit Tändelei und Spiel hausiert.
Du! Der im Gewebe der feinsten
Illusionen alle Schwere verliert
Und glaubt sie los zu sein. Siehe!
wie sie deine Hingabe verhehlt,
Wo sie, noch in den süßesten
Stunden, jede angebroch’ne zählt.

In dieser Zeit wird jede Mußestunde
nur erkauft, in faulen Kompromissen.
Aus Hingabe wird Kalkül, und jede
Vernunft der Leidenschaft entrissen.
Entrissen und verscharrt wo keine
Hände wühlen, in bald’ger Grabeserde,
Damit die Hure, der du dich hingabst,
noch zu deinem Zuhälter werde.

Wer mag hier noch mit seiner Zeit
in innigster Umarmung liegen?
So sie stetig ferner rückt, flüchtet
und alternativlos droht zu versiegen.
Zeit ist und bleibt nicht länger gelassen,
sie ist entrückt und raubt.
In der Verzweiflung eines Seins
um zu verrinnen, sei kein Zweifel erlaubt.

Dem niederen Zweifel gegenüber
hehren Zielen, sei keine Zeit gegönnt,
Denn nur das Weiter- nicht das
Widerstreben ist‘s das vorwärts könnt.
Auch wenn vorwärts heißt:
unbemerkt im zirkelschlüß´gen Kreis zu gehen,
Trampeln all im stets entrückten Takt
und abgetrieb‘nem Zweifelsflehen.

Das Leben, das von Liebe nicht lässt,
hängt am Galgenstrick der Zeit.
Fortgerissen vom Strom, der am
Leben reißt, verlangt‘s Unendlichkeit,
Für die, denen noch zu Lieben bleibt.
Doch blind, umringt von Leere,
Springt die waidwunde Liebe
in den Schlund, der sie und alles verzehre.

Mittwoch, 29. Februar 2012

Hoffnungen auf den Frühling

So kehre endlich ein, erhoffter Frühling
Der du solange auf dich warten lässt
Dieser Ort schwimmt in elender Tristesse
Über den der Wind nur Schmerzen trägt

Tauet! Eis und Schnee auf allen Wiesen
steingewordene Herzen, schlagt! springt!
Reißt auf! Himmel und Wolken, die ihr nur
Verschleiert und herabgeregnet habt

Grün! Grün! Hoffnung und Leben verlang ich
Zwischen Warten und Sterben, ist’s Zuviel?
Das mein Herz nur endlich wieder eine
Vorstellung von Leben hat, das lebenswert wär

Unbeschwertes wiederkehrendes, das nur du
Nur du! Frühling. noch ungetrübt vorleben kannst
Damit du mich, sei‘s für einen Moment, befreist
Von all dem unabänderbaren Schmerz

Überschattender zermalmender, der du
Meinen Kopf in deiner Klammer hältst
Unnachgiebig an meinen Kräften zehrst
Und dennoch so wehmütig hoffen lässt

Dass du liebster Frühling, liebstes Erblühen
Wieder in dieser Welt, all und der meinigen
Einzug hältst, wachsen, leben und lieben lässt
Damit die Welt nur wieder tragbar wär

Montag, 27. Februar 2012

Der Blick aus dem Fenster

Wir stehen vor unseren Fenstern.
Sehen hinaus auf blühendes Leben
und hinab auf einen möglichen Fall.
Wartend. Auf die Gelegenheit
Zum möglichen Sprunge in Tod
Oder Freiheit eines Augenblickes.

Starr und unbeweglich
Durch das verschmiert verschlossene
Fenster, ist der Blick aufeinander
Nur trüb, verschleiert und versperrt.
Taub und blind läuft, redet
Und schlägt der Andere vorbei,
Gegen die Wände und Fenster
Seines Selbst, das er nicht sehen
Kann, noch sehen will.
Das er nur in enge Formen
und strenge Bahnen presst.

Der Tod dauert ein Leben lang.
Und allein das verkümmert
Vergessene Gefühl
Vermag ein Fenster darin
Zu öffnen.

Freitag, 24. Februar 2012

Prekäre Stimmen am tauben Ohr

Ich bin
Umringt von prekären Stimmen
Die nur dumpf durch alle Wände
An meine Ohren klingen
Es hämmert an Tür und Wand
Ihr unbeugbarer Drang
Doch ohnmächtig
Sprechen sie im Chor
Gewillt, dass jeder Einzelne
Den Anderen nur übertöne
Ohne gemeinsamen Sinn

Ist der Raum nun auch
Ausgefüllt von vollem Laut
Stößt er doch auf taube Ohren
Und bleibt schlicht unerhört
Doch wollt ich ihm
Nur einen Augenblicke lauschen
Bleibt‘s stummes Gebrüll
Eines unerhörten Willens
Der da selbst im trüben Meer
Einer allzu einsamen
Ungewissheit schwimmt und schlägt
Nach den zum Halse stehenden
Wassern

Donnerstag, 16. Februar 2012

Gewinner oder Verlierer, was nun?

Es lief ein Kampf in der Kneipe
Ein Großer vertrimmt
Den Kleinen, auf Leinwand
Unspektakulär
Einer schlug mit der linken Geraden
Zog mit einer langen Rechten nach
Und brachte den Anderen ins Taumeln
Einer setzte nach
Einer musste gewinnen
Es zu Ende bringen
Der Andere verlor
Beide wussten das

Man trank
Bis man sich sagte
Das könne man doch besser
Ein Pärchen fand sich rasch
Der Rest johlte Drumherum
Oder warf sich dazwischen
Alle waren eingespannt

Hier gab’s genug Tragödie
In jedem einzelnen Leben
Das darauf hoffen ließ
Einer könnte dem Anderen
Endlich endgültig
Den schweren Kopf von
Den Schultern reißen

Doch hier verloren Beide
Denn Keiner wollte gewinnen

Sonntag, 25. Dezember 2011

Morgen, Kinder, wird's nichts geben!

Morgen, Kinder, wird's nichts geben! (von Erich Kästner)

Morgen, Kinder, wird's nichts geben!
Nur wer hat, kriegt noch geschenkt.
Mutter schenkte euch das Leben.
Das genügt, wenn man's bedenkt.
Einmal kommt auch eure Zeit.
Morgen ist's noch nicht soweit.

Doch ihr dürft nicht traurig werden.
Reiche haben Armut gern.
Gänsebraten macht Beschwerden.
Puppen sind nicht mehr modern.
Morgen kommt der Weihnachtsmann.
Allerdings nur nebenan.

Lauft ein bisschen durch die Straßen!
Dort gibt's Weihnachtsfest genug.
Christentum, vom Turm geblasen,
macht die kleinsten Kinder klug.
Kopf gut schütteln vor Gebrauch!
Ohne Christbaum geht es auch.

Tannengrün mit Osrambirnen -
Lernt drauf pfeifen! Werdet stolz!
Reißt die Bretter von den Stirnen,
denn im Ofen fehlt's an Holz!
Stille Nacht und heil'ge Nacht -
Weint, wenn's geht, nicht! Sondern lacht!

Morgen, Kinder, wird's nichts geben!
Wer nichts kriegt, der kriegt Geduld!
Morgen, Kinder, lernt fürs Leben!
Gott ist nicht allein dran schuld.
Gottes Güte reicht so weit ...
Ach, du liebe Weihnachtszeit!

Freitag, 9. Dezember 2011

Bruchstücke einer unendlichen Menchheit

Wenn die ganze Welt
Zu gleicher Zeit
Schreit.
all die Menschen,
all die Ausgeschlossenen,
all die Eingeschlossenen,
all die Gezwungenen,
all die Wollenden,
all die Hoffenden,
all die Resignierten,
all die Sterbenden,
all die Lebenden,
all die Verwahrlosten in all den Ghettos und Lagern,
all die Ozonlöcher,
all die Autos und all ihre Motoren,
all die Tempel,
all die Könige auf ihrem Thron von tönernem Fuß,
all die Arbeitsämter,
all die Arbeitslosen vor verschlossenen Türen,
all die Müllberge vor denen Kinder schreien,
all die Empörten,
all die Krisen,
all die Gipfel,
all die Kopflosen vor offenen Türen,
all die Ohnmächtigen,
all die Akteure,
all die Dinge,
und all der Rest.
Wer würde den Schrei
des Anderen hören?

Die Bruchstücke einer unendlichen Menschheit sind Schreie. Schreie eines Ganzen, das in zahllose Splitter zerfällt. Das Verachtenswerte liegt dann nicht in Einfachheit und Banalität, sondern in ihrer Vereinfachung. Denn unverstanden bleibt all Ausgeschloßenes und Heruntergebrochenes.

Sonntag, 4. Dezember 2011

Geschäft'ge Weihnachtszeit

Bald ertönen wieder Weihnachtslieder
aus Bunkern und Schützengräben.
Bald zerschneiden Kalaschnikow
und Flak die verstummte stille Nacht.
Kein Geschäft lässt man sich entgehen.
Sei es Liebe oder Mord. Einerlei
Was darf es sein?

Mittwoch, 30. November 2011

Im Spiegel

Im Spiegel starrt mich
die verbohrte Fratze
eines 23-Jährigen an.
Weder noch so jung
oder schon so alt,
dass ihm die
aalglatte Beschissenheit
der Dinge nicht zu
Augen treten würde.
Die das Älterwerden dann
in hübsche Päckchen packt.
Gezwungen ihrer Scheiße einen
goldenen Anstrich zu verpassen
und Leichen wie Puppen
zu verkleiden.
Alterslos stapft der Leichnam
ohne Selbst.
Doch mancher Alte weiß,
dass er !ohne Zweifel!
am Leben ist
und dass es keine
geraden Ziele, oder
ideale Wege gibt.

Mittwoch, 16. November 2011

Ich weiß wohl, …

Ich weiß wohl, …
Dass ich manches muss
Auf dieser Welt
So voller Überfluss
Der nur im Banne hält
Mangel... an was?!
Zürne nicht dem Überfluss
Eines Anderen Mangel
Sei nicht dein Verdruss
Du Narr! Spiele!

Ich weiß wohl, …
Drauflos! Ohne Ziele
Da sind keine Regeln
Nur das Mehr hat Wert
Im Kampf und Gerangel
Regeln?! Pah Menschenwerk
Menschenwerk. Doch eben
Darum! die Realität selbst
Die nichts Höheres kennt
Als die ihr verwandten Ideen

Ich weiß wohl, …
Sei nur dem Mehrwert Untertan!
Forme, biege … breche
Sei flexibler, Scharlatan
Wer braucht Rückgrat
Es knirscht zu laut
Im großen Getriebe
Hast‘s kapiert?! Ist‘s verdaut?

Ich weiß wohl, aber trotzdem …
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Die Phiole des Homunkulus

"Gib nach dem löblichen Verlangen - Von vorn die Schöpfung anzufangen, - Zu raschem Wirken sei bereit! - Da regst du dich nach ewigen Normen, - Durch tausend abertausend Formen, - Und bis zum Menschen hast du Zeit."

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